Karl Seibel wurde am 30. Mai 1940 im Dorf Nieder-Monjou in der autonomen Republik der Wolgadeutschen in der Sowjetunion geboren. Im August 1941 wurde er als Kleinkind mit seinen Eltern und zwei Geschwistern nach Sibirien deportiert.
Nach Stalins Tod traten mit der Zeit immer mehr Lockerungen für die Vertriebenen in Kraft, wobei mein Opa bis heute manchmal beklagt, dass seine alten Schulkameraden, die buddhistisch geprägten Kalmücken, letzten Endes ihre autonome Republik zurückbekommen haben, die Wolgadeutschen aber nie mehr.
Karl Seibel arbeitete sich schließlich hoch zum Leiter einer Sowchose (Landwirtschaftlicher Großbetrieb in der UdSSR) und wurde nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Sowjetunion in den 90er Jahren Bürgermeister des Dorfes Kubanka im Altaigebirge.
Wie die meisten Russlanddeutschen verließ auch mein Großvater gemeinsam mit seiner Ehefrau, der ebenfalls deportierten Nelli geb. Rosengrün (1940-2019), schweren Herzens sein Dorf in Sibirien. Im Sommer 1998 kamen sie in Deutschland an, etwas später, im Herbst desselben Jahres, folgten meine Eltern, mein kleiner Bruder Felix (geb. 1997) und ich dem Ruf nach Deutschland. Eine Zukunft im neuen Russland sah man nicht mehr.
Nach seiner sowjetischen Vergangenheit wurde mein Großvater Karl Seibel ab 2002 Küster der lutherischen Kirchengemeinde in Hallenberg (NRW) und Bromskirchen (Hessen). So kann sich das Leben ändern. Nach nun fast 20 Jahren arbeitet Karl noch immer fleißig für die Kirche und erinnert sich gern daran, dass der Glaube besonders die Generation seiner wolgadeutschen Eltern immer fest zusammengehalten hat.
Auf einer Website der Menschenrechtsorganisation „Memorial“, welche sich den Opfern des Stalinistischen Terrors verschrieben hat, findet man auch meinen Opa Karl Seibel mit dem Vermerk, dass er aufgrund seiner ethnischen Volkszugehörigkeit unter Repressalien geraten ist und erst am 20.12.1993 offiziell rehabilitiert worden ist.
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