Die Mutter von meiner Oma Alwina, Kristina geb. Petsch war sehr früh verstorben, im Jahre 1908, da war Oma Alwina erst 6 Jahre alt. Der Vater, Johann Resch, war sehr lange allein und hatte die Familie samt Kindern selbst ernährt. Sie hatten 2 Söhne und 4 Töchter. Die Mädchen haben sehr früh angefangen zu arbeiten, in reichen Familien als Kindermädchen oder Putzfrauen.
Besonders bitter wurde die Lage der alleinstehenden Frau nach dem Ausbruch des Vaterländischen Krieges. Da gab es kein Brot, geschweige von Pirogen. Ihre älteren Söhne, Jacob und Heinrich, sowie die Tochter Elena kamen 1942-43 ins Arbeitslager als Deutsche. Der 14-jährige Alexander und der 12-jährige Johann verließen die Schule und gingen in die Kolchose. Die Minderjährigen bekamen für ihre Arbeit in der Kolchose nur die Hälfte der Erwachsenenration, jedoch war das eine große Hilfe für die Familie. Doch schon kurz darauf wurde Alexander verhaftet, bei dem Versuch etwas Getreide aus dem Kolchosspeicher für die hungernde Geschwister mitzunehmen und für drei Jahre Lagerarbeit verurteilt. Alwina blieb die Alleinversorgerin, bekam nur für eine Person die Lebensmittel zugewiesen, während Zuhause fünf weitere minderjährige Kinder auf sie warteten.
Aus alten Sachen, die sie von Nachbarn aus Mitleid bekommen hatte, wurde Kleidung gemacht, es wurde ständig von größeren Kindern etwas geändert und umgenäht für die Kleinen, damit sie etwas zum Anziehen hatten. Die einzige Rettung für die Familie waren die Ziesel/Erdhörnchen, die der zwölfjährige Johann gefangen hatte: Sie wurden auf unterschiedlichste Weise in der Küche verwendet und selbst aus dem Fell hatte Oma Mützen für die Kinder genäht. Das war die schlimmste Zeit ihres Lebens.
Alwina schöpfte ihre Kraft von Gott, ihren Glauben bewahrte sie auch in der Nachkriegszeit. Nach Stalins Tod fingen die Gläubigen des Dorfes an sich heimlich in privaten Räumen zu treffen, lasen aus der Bibel, sangen aus dem Gesangbuch. Die Bücher waren noch aus der Vorrevolutionszeit. Es gab auch keine evangelischen Pfarrer, die Lutheraner wählten sich einen Küster, der die Nottaufen übernahm. Es war immer noch nicht offiziell erlaubt, aber geduldet. In den 50er Jahren bekam Alwina die Medaille der „Mutter-Heldin“, mit der die Sowjetregierung kinderreiche Mütter auszeichnete. Sie starb 1965 im Haus ihrer Tochter Maria.
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