David Fast
Mein Opa, David Fast geb. am 16.12.1930 im deutschen Ort Bahndorf (russ. Orlowo) Kolonie Memrik in der Ukraine, ist das dritte Kind von dem Ehepaar David Fast und Elisabeth Peters.
David Fast
Deportiert, repatriiert oder repressiert von:
Ukraine, Oblast Stalino, Selidowskij Rajon, Michailowskij Selskij Sowet, Ort Bahndorf (Orlowo)
Deportiert, repatriiert oder repressiert nach:
Russland, Sibirien, Altai, Slawgorodskij Rajon, Grischkowskij Selskij Sowet, Ort Karatal
Als er 6 Jahre alt war, im Sommer des Jahres 1937, sah er seinen Vater zum letzten Mal, bevor er von dem gefürchteten „schwarzen Raben“ abgeholt und weit weg ins Straflager gebracht wurde, wo er auch verstarb. Am 07. Oktober 1941 wurde mein Opa mit seiner Mutter, einer älteren Schwester, einem jüngeren Bruder und der gesamten Verwandtschaft und allen anderen Deutschen des Ortes mit dem Zug ins weit entfernte Sibirien deportiert. Sie waren mit insgesamt 43 Personen (alles Verwandte) in einem Viehwagon eingepfercht. Nach zehn Tagen Zugfahrt wurden sie bei einem Zwischenstopp in der Nähe der Stadt Liski von deutschen Flugzeugen angegriffen.
Opa erzählte: „– Das waren Viehwagons, nur dass jetzt kein Vieh da drin war. Sie waren mit einer Reihe von Regalen ausgestattet. Untendrunter konnte man nicht aufrecht stehen und oben drauf auch nicht. Als dann der Alarm losging und wir bombardiert wurden, dann liefen alle Menschen des ganzen Zuges (Schalon) raus, das waren ja mehrere Dörfer, die in diesem Zug drin waren. Wir waren grade erst aus dem Wagon raus, nur ein paar Meter entfernt, dann flog das Flugzeug einmal quer über uns drüber. Neben unserem Zug stand der Militärzug – diese beschossen das feindliche Flugzeug aber trafen es nicht. Ganz in der Nähe war ein Wald. Das Flugzeug flog so tief über uns, dass es wegen dem Wald hochziehen musste, um nicht in die Bäume zu fliegen. Anschließend drehte er und kam zurückgeflogen. Wir standen dann schon draußen und schauten ihm hinterher.
Er wendete, flog wieder schräg über uns hinweg und schoss mit dem Maschinengewehr von oben auf uns. Ob er etwas oder jemanden getroffen hat oder nicht, weiß ich nicht mehr. Dann wendete er wieder, kam zurück und ließ 2 Gegenstände fallen, für mich sah das aus wie Pelzmützen. Als wir das sahen, warf Mamma Susa und Grisch, die sie an der Hand hatte, auf den Boden, packte mich, riss mich auch rum und dann war ich wie benommen. Wir waren ganz mit Erde überschüttet. Eine der Bomben war keine drei Meter von uns entfernt aufgeschlagen, das waren höchstens zwei Meter! Uns hat nichts getroffen, wir waren unverletzt, nur das Kopftuch von Mama war etwas angesengt. Irgendein Funkte hatte nur das Tuch getroffen, aber wir waren unverletzt!“
Nachdem die zerstörten Wagons ausgetauscht wurden, ging die Fahrt weiter. Nach einem ganzen Monat, am 12. November 1941 kamen sie in Rownoe, bei Slawgorod, Altai, in Sibirien an.
Die folgenden Jahre waren sehr schwer für Opa. Durch den kalten Winter und dem Hunger, den er litt, bekam er eine sehr schlimme Lungenentzündung, die ihm fast das Leben kostete. Zwei Jahre später konnten sie nach Karatal umziehen, wo weitere Deutsche lebten. Mit 14 Jahren arbeite er als Stallbursche und nach der Arbeit half er seiner Mutter eine Erdhütte (Semljanka) zu bauen. Mit knapp 22 Jahren heiratete er Helene geb. Friesen. Sie bekamen 6 Kinder, wovon eines noch im Säuglingsalter starb. Nach nur 10 Ehejahren starb auch seine liebe Frau. Da die Kinder noch sehr klein waren, heiratete er Anna Neufeld und zog im Oktober 1966 mit seiner Familie ca. 1700km weiter in den Süden nach Kirgisien, wo das Leben einfacher und erträglicher war.
Im Mai 1990 siedelte er nach Deutschland um, in das Land seiner Vorfahren und baute nach ein paar Jahren, er war bereits 63 Jahre alt, noch ein Haus.
Mit 88 Jahren flog er nochmals zurück nach Sibirien, zu dem Ort, in dem er seine Kind- und Jugendzeit verbracht hatte und wo seine erste Liebe begraben liegt. Die Kinder seines jüngeren Bruders leben bis heute noch dort.
Dort entstand dieses Bild. Ein kleiner Birkenwald in Sibirien in der Nähe von Karatal. Zu sehen sind mein Opa, seine Tochter Helene und ich.
Heute ist er 90 Jahre alt und kann sich immer noch sehr lebhaft an all die Schwierigkeiten erinnern, die er erlebt hat. Jedoch ohne Hass und immer wieder auf den hinweisend, der ihn in dieser Zeit begleitet hatte, unserem Gott, der alles regiert und in seiner Hand hält.
Artur Fast
mit Opa David und Tante Helene in Sibirien in der Nähe von Karatal (August 2019)
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